Tag 9

Datum: Mittwoch, 29.April 2015
Strecke:  von Najera nach Redecilla del Camino
Distanz: 34 km
Gehzeit: 06:50 bis 15:15 Uhr   ca. 8,5 Std.
Wetter: von allem etwas, zuerst etwas frisch, dann sonnig, dann bewölkt, leichter Regen, wieder Sonne
Allgemein: gut zu laufende Etappe, keine große Schwierigkeiten, etwas lang


6:15 Uhr aufstehen, Abmarsch ohne Frühstück alleine gegen 6:50 Uhr. Die anderen brauchen mir zu lange, also starte ich den Tag mal wieder alleine. Abends trödle ich gerne und unterhalt mich auch gern mit jedem, aber am Morgen, da will ich los. Wenn ich schon auf bin, dann will ich nicht noch ne halbe Stunde im Flur stehen und quatschen. Wir werden uns schon wieder irgend wo treffen.
Es ist das erste Mal, dass ich im Dunkeln los laufe. Die Stadt ist Menschen leer. Nur ab und zu sieht man einen Pilger. Durch dunkle Gassen führt der Weg, vorbei an der jetzt noch angestrahlten Kirche von Najera hinaus aus der Stadt. Der Tag bricht an und es ist doch noch recht frisch. Kurz nach der Stadt hole ich Marjolein ein, die wie eigentlich immer, als erste gestartet ist. Ein kurzer Plausch und ich gehe weiter, immer begleitet von den Pfählen, mit der Kilometerangabe bis Santiago: Noch 582km! Ultreia, immer weiter!
Die Landschaft ist hügelig, aber gut zu gehen. Nach ca. 6km, kurz vor Azorfa, sehe ich weit hinter mir, die Truppe anrollen. Marjolein, Jeppe, Garry, Andrew und Sepp kommen an gewalzt. Ich verlangsame meinen Schritt und kurz darauf sitzen wir gemeinsam mitten auf der Strasse in einem Cafe bei unserem Frühstück. So gestärkt geht´s dann weiter. Wieder verteilt sich die Gruppe und jeder geht seinen Weg. Endlich kommt die Sonne raus und gleich macht es viel mehr Spaß zu laufen. Die Landschaft ist herrlich, auch wenn es wieder ein Stück an der Autobahn entlang geht. Jedoch ist ein sehr schon terassenförmig angelegter Bach zwischen dem Weg und der Autobahn und so stört die Strasse nicht so sehr. Das satte Grün des Grases und der rote lehmfarbene Boden des Weges begeistern mich! Ich fühl mich richtig wohl! Es ist so schön! Aber auch anstrengend. Nach einem Anstieg brauche ich eine Pause und siehe da: Die Gruppe vereint sich wieder. Diesmal ziehen wir gemeinsam weiter. Es wird viel geplaudert und gelacht. Kurz darauf erreichen wir nach einem Golfplatz Ciruena. Von allen Pilgern, mit denen ich mich unterhalten habe, wurde diese Stadt als "die Geisterstadt" bezeichnet. Man sah keine Menschenseele. Nicht, dass jetzt der Eindruck entsteht, Ciruena wäre eine alte verlassene Stadt. Nein! Eine große Neubau-Siedlung ziert den Stadtrand, aber so gut wie alle Häuser stehen leer. Wirklich schöne Reihenhäuser mit Vorgarten, alles schön angelegt, aber keine Menschen zu sehen, die Rolläden fest verschlossen. Die Immobilienblase, keine Arbeit vor Ort, liesen diese Stadt aussterben. So hat es den Anschein.
Die Gruppe löst sich wieder auf. Noch einmal laufe ich ein Stück mit Marjolein. Wir wußten beide nicht, dass es das letzte Mal sein sollte, dass wir uns sahen. Ich war auf die Dauer zu schnell für sie und sie beendete den Camino schon in Sarria. Für sie hat es sich fertig angefühlt, teilte sie mir noch mit. So ist es eben. Jeder geht seinen Weg, nur schade, dass ich mich nicht richtig von ihr verabschieden konnte. Sie war eine ganz tolle Frau und es hat mich sehr gefreut sie kennen gelernt zu haben. Noch heute haben wir losen Kontakt über das Internet.
Kurz vor Santo Domingo de la Calzada lief ich noch ein Stück mit Andew. Er wollte in Santo Domingo bleiben, aber das war mir noch zu früh, um den Tag zu beenden. Santo Domingo ist die Stadt mit dem " Hühnerwunder". 
Der Überlieferung nach, soll ein Pilgereheppar mit seinem Sohn auf dem Weg nach Santiago hier in einem Wirtshaus übernachtet haben. Die Tochter des Wirts verliebte sich in den Jüngling, aber er wollte nichts von ihr wissen und zog am nächsten Morgen mit seinen Eltern weiter. Das beleidigte Mädchen hatte aber einen silbernen Becher
im Gepäck des Jungen versteckt und zeigte den Diebstahl an, worauf der Junge zum Tod durch Erhängen verurteilt wurde. Nach Vollstreckung des Urteils wollten die Eltern nochmal Abschied nehmen und stellten überrascht fest, dass ihr Junge lebendig am Galgen hing, gestützt von Santo Domingo. Sie brachten die Nachricht dem Richter, der gerade zu Tisch saß. Der meinte aber, der Junge sei so lebendig, wie die zwei Hühnchen, die er gerade verspeisen wolle. Darauf flogen die zwei Tiere davon und seither werden immer ein weißer Hahn und eine weiße Henne in einem goldenen Käfig in der Kirche gehalten.
Also, war Kirchenbesuch hier Pflicht. Eine wirklich sehr schöne Kirche und natürlich bestaunte auch ich den Hühnerkäfig. Man sagt, wenn der Hahn kräht, wenn man die Kirche betritt, verheißt das eine gute Ankunft in Santiago. Leider hörte ich kein Krähen, aber ich lies mich nicht entmutigen. 
Herberge in Redecilla
Ich machte mich weiter auf den Weg nach Granon. Dort wollte ich übernachten. Die Bewölkung des Himmels nahm zu und ich war froh, Granon einigermaßen trocken erreicht zu haben. Ich suchte die Herberge, die im Reiseführer als "Kultherberge" an geprießen wurde. Direkt an der Hauptstrasse lag dieses Etablissement. Na ja, also mein Fall war das nicht. Für mich war dies auf dem ganzen Weg, die unattraktivste Herberge und so zog ich es vor doch noch weiter zu gehen. Nach Redecilla del Camino waren es noch vier Kilometer, das würde ich auch noch schaffen. Nachdem ich die Grenze von der Rioja nach Kastilien überschritten hatte, erreichte ich bald darauf den Ort, in dem ich zum Glück in der Pilgerherberge ein Bett in einem Achtbettzimmer bekam. Ein sehr freundlicher Hospitaliero nahm mich in Empfang, zeigte mir alles und nachdem ich frisch geduscht war, waren die Mühen des doch recht langen Marsches bald vergessen. Auch hier besichtigte ich die Kirche mit einem rießigen Taufbecken aus dem 12 Jahrhundert. Abends saßen die Pilger in der einzigen Bar des Ortes bei einen guten Pilgermenue zusammen. Hier lernte ich Elisabeth und Hermann aus Österreich kennen und auch Teen, die mir noch öfters begegnen sollte. Es war ein netter Abend und gegen 21:30 Uhr kehrte ich in die Herberge zurück, wo ich noch mein Tagebuch schrieb. Sehr müde, nach einem langen Tag, ging ich zu Bett und schlief sehr schnell ein, obwohl vier Italiener sich noch sehr laut unterhielten. 

Fazit: lange, aber sehr schöne Etappe.
Tipp: unbedingt die Kirche in Santo Domingo besichtigen, ob man in der "Kultherberge" in Granon übernachten soll, muss jeder selber wissen. Ich würde es nicht tun. Die Herberge in Redecilla gegenüber der Kirche ist sehr zu empfehlen. Ein sehr netter, hilfsbereiter Hospitalero, und mit 5€ auch günstig.





3 Kommentare:

  1. Lieber Wolfgang,

    eine wahre Freude Deinen Blog zu lesen! Ich bin den Frances im September/Oktober des selben Jahres gegangen und erinnere mich dank Deiner detaillierte Beschreibung wieder an so viele Einzelheiten. Ich kann den Weg in Gedanken nochmal laufen... :-)

    Ich lese hier gerade von Granon. Ich bin ganz ehrlich. Wenn du das Kloster in Granon meinst, welches als Kultherberge angepriesen wurde, war es für mich die eindruckvollste und schönste Unterkunft am ganzen Weg. Falls du in Deinem Leben noch einmal dort vorbei kommen solltest, bleib die Nacht über im Kloster. Ein wahrer Traum.

    Viele Liebe Grüße aus Düsseldorf
    Christian

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  2. Hallo Christian.
    Nein. Das Kloster meine ich nicht. Sondern ca. 100m weiter auf der rechten Seite.
    Weiterhin viel Spass beim lesen und sei nicht enttöuscht. Die letzten Tsge fehlen noch. Aber schau halt immer mal wieder rein. Ich schreib den Rest auch noch.
    Schön dass dir mein Bericht gefällt.
    Buen Camino

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  3. ...das werde ich machen. Ich wünsceh Dir jedenfalls einen guten Start in die Woche und alles GUTE.

    Buen Camino companero

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