Tag 10

Datum: Donnerstag, 30.April 2015
Strecke:  von Redecilla del Camino nach Villafranca Montes de Oca
Distanz: 24 km
Gehzeit: 07:30 bis 13:30 Uhr   ca. 6 Std.
Wetter: erst sonnig, schön, dann extrem windig und kalt, sehr unangenehm
Allgemein: Strecke nicht weiter schwierig, trotzdem bis jetzt der SCHLIMMSTE Tag, durch den extremen Wind, hatte keine Lust mehr, wollte aufgeben, nach Telefonaten mit zu Hause doch weiter gemacht (Gott sei Dank).


Heute bin ich erst um 7:00 Uhr auf gestanden. Ich lies den Italienern, der Koreanerin und der Amerikanerin den Vortritt. Irgend wie war ich müde und hatte keine große Lust. Aber nach einem kleinen Frühstück ( Cafe und Keksen) ging es dann so gegen 7:30 Uhr los. Es schien schon die Sonne und ich lies Recadilla schnell hinter mir. Ganz in Gedanken ging ich vor mich hin, bis mich ein Geschrei aus meiner Letargie riss. Ich war auf dem besten Weg mich zu verlaufen, aber zwei freundliche Pilgerinnen hinter mir, machten mich lautstark auf meinen Fehler aufmerksam. Ich bedankte mich und mit einem "Buen Camino" ging es weiter. So ist es auf dem Jakobsweg: Man ist allein, und doch nicht! Man kann seine Ruhe haben oder man ist in Gesellschaft. Immer so wie man es will!
Der Weg ist heut relativ flach und ich komme gut voran, so ca. 4km in der Stunde. Dann plötzlich, als der Weg an der Autobahn entlang führt, wird es windig. Sehr windig! Und es wird kalt! Selbst im Fleece friere ich. Und ich muss mich anstrengen, um vorwärts zu kommen. Ich bin froh, als ich nach 12km Belorado erreiche. Ich brauche jetzt etwas zu Essen und einen Cafe. Nach der obligatorischen Kirchenbesichtigung suche ich ein Cafe. Leider ohne Erfolg. Was ich finde sind schöne Graffitis vom
Jakobsweg. Ganz toll. Aber kein Cafe. So gehe ich in den nächsten Supermercado und kaufe mir Cola, Bocadillo, Speck und Käse und kurz darauf sitze ich gemütlich auf einer Bank und vespere. Zum Glück ist es hier in Belorado relativ Windstill. So gestärkt mache ich mich wieder auf den Weg. Was mich in Spanien beeindruckt hat, war, dass es in fast jeder noch so kleinen Ortschaft am Ortsausgang einen Spielplatz mit Grillstätte gab. Manchmal kleiner, manchmal größer. Und der hier in Belorado war wieder rießig. Toll angelegt, schön grün, viele Spielgeräte und mehrere große Grillanlagen. Echt toll. Leider nutzte ich so etwas nie, aber ich habe öfters daran gedacht, wie es hier wohl Abends sein würde.
Im strahlenden Sonnenschein ging es weiter Richtung Villambista. Der Wind lies etwas nach, aber er war stets vorhanden. Villambista ist eine kleine Ortschaft und ich fand weder ein Cafe noch eine Bar.
Aber wie fast immer: eine herrliche Kirche. Im Sonnenschein lag sie vor mir und ich machte eine kleine Pause. Jedoch frischte gerade jetzt der Wind wieder auf und so zog ich voll in die Ortsmitte, wo ich an einem Brunnen eine weitere Pause machte. Dort traf ich heute auch zum ersten Mal andere Pilger, sonst war ich auf dem ganzen Weg alleine. Eine Italienerin wollte unbedingt mit meinem tollen Pilgerstab ein paar Bilder am Brunnen machen. Na klar, aber gerne! Etwas Smal Talk und kurz die Füsse lüften. Ja, ich hatte mich geändert. War ich zum Wandern in den Bergen unterwegs, war es für mich ein NO GO die Schuhe aus zu ziehen, aber hier in Spanien bei der täglichen Belastung, dankten es mir meine Füsse doch, wenn ich ihnen auch Tagsüber etwas Ruhe gönnte und sie an die frische Luft lies. Ach es war herrlich hier zu sitzen, aber irgend wann geht auch mal die schönste Pause vorüber und es ging weiter. Leider verstärkte sich der Wind wieder und es blies ordentlich. Es wurde wieder unangenehm! Immer schlimmer. Ich hatte die Schnauze voll! War ich hier nicht in Spanien? Im Süden? Mann, das hatte ich mir anders vor gestellt! Ich dachte, hier ist
es immer schön, dazu warm, eher zu heiß! Aber nein! Ich war in Spanien und: ICH FROR! Ich sehnte die nächste Ortschaft herbei. Auch wenn erst ca:13:00 Uhr war, egal. Wenn jetzt was kommt, da bleibe ich. Ich will nicht mehr weiter: Nach ca. ner halben Stunde erreichte ich Villafranca de Oca. Erst halb Zwei! Aber das war mir egal, ich wollte heute nicht mehr weiter. Und ich wollte keine Herberge. ich wollte ein Zimmer für mich. Heute wollte ich meine Ruhe, keine anderen "nervigen" Pilger! 
Am Ortseingang, ein großer Parkplatz und viele Trucks! Sofort viel mir die Geschichte von Hape Kerkeling ein, der auch mittags in eine Bar ging, dort ein Zimmer nahm, und Abends die Hölle los war, wegen der Trucks und deren Fahrer. Also blieb ich hier nicht und ging weiter. Keine 200m weiter ein Schild: Zimmer ab 18€! Hoffentlich war noch was frei. Es dauerte etwas bis ich jemand fand, aber dann erbarmte sich meiner, eine junge Senorita, Christina, und für 20€ bekam ich ein Einzelzimmer. War ich froh! Ich warf mich aufs Bett und döste vor mich hin. Ich war restlos bedient. Ich wollte nur meine Ruhe, war enttäuscht von "meinem Jakobsweg"! Soll ich mir das wirklich weiter an tun? Was soll das alles? Ich war jetzt ca. 270km gepilgert, das war doch auch schon was. Wer ist jemals so weit am Stück gelaufen? Mußte ich mich vor irgend jemand Recht fertigen? Nein!  Nur vor mir. Sollte ich meinen großen Traum hier beenden? Ich rief zu Hause an, und erzählte von diesem "blöden" Weg, dem "blöden" Wetter und dass ich keine Lust mehr hatte. Meine
Frau meinte, es wäre ganz allein meine Entscheidung, was ich mache und das ich auch so schon viel erreicht hatte. Meine Tochter sprach mir auch Mut zu und dass alle hinter meiner Entscheidung, egal, wie sie ausfalle, stehen würden. Ach, es ging schon wieder etwas besser. Nach einer wirklich ganz langen Dusche und einem anschließenden Mittagsschlaf sah die Welt, sprich, der Jakobsweg, schon wieder besser aus. So erholt machte ich mich auf den Weg in die Ortschaft, schaute mir, wie immer, die Kirche an, traf dann noch einen jungen Pilger, der erst vor 2 Tagen angefangen hatte zu laufen. Wir suchten einen Supermarcado, wurden zu einer Bar geschickt, in der sich auch ein kleiner Laden befinden sollte. Tatsächlich, vorne Kneipe, hinten Laden. Auch nicht schlecht. Wir deckten uns mit dem Nötigsten ein, gönnten uns ein Bierchen und unterhielten uns gut. Wir gingen noch zusammen ein Stück, und er ging dann in seine Herberge zurück. Ich lief zu meiner Pension und siehe da: Schräg gegenüber wurde gerade ein Rolltor hoch gezogen und ein Supermarkt wurde geöffnet. Da ich noch Batterien für mein GPS Gerät brauchte, versuchte ich hier noch mein Glück. Und tatsächlich wurde ich fündig! Das mit den Batterien war mir ja schon ganz schön lästig, aber wie schon erwähnt, bin ich heut froh, die ganzen Daten zu haben und auf dem PC zu betrachten. 
Ich ging in mein Zimmer, schaute nach meiner Wäsche, machte mich kurz frisch und ging in das zu der Pension dazu gehörige Restaurant nebenan. Die Freude war groß als ich Ana und Mikkel dort traf. Leider gingen sie nach ca. einer halben Stunde, da sie in ihrer Herberge zu Abend aßen, aber für einen kleinen Drink und ein nettes Gespräch reichte es schon noch. So nahm ich mein Pilgermenue alleine ein. Der Wirt wollte unbedingt, dass ich in den Speißesall ging, aber da war gar niemand. Im Gastraum vorne saßen wenigstens einige Einheimische und es kamen auch immer wieder Pilger kurz herein, aber niemand Bekanntes. Trotzdem bestand ich darauf, dass ich im Gastraum essen konnte. So hatte ich wenigstens etwas Unterhaltung. Das Essen war gut, wie immer Vor- Haupt- und Nachspeise, und VINO! Aber so alleine! Hatte ich mir heut Mittag noch Ruhe gewünscht, fehlte jetzt doch etwas. Ich ging bald auf mein Zimmer, schrieb mein Tagebuch, und genoß: die Langeweile! Ja, jetzt war es so weit! Die andern Pilger fehlten mir! Das ewige Gemurmel, das Geknistere beim Rucksack packen, die Unruhe, wenn jemand ins Bad oder zur Toilette geht! Und hier? Absolute Ruhe! Ganz ungewohnt. Irgend wann schlief ich endlich ein. 

Fazit: nicht so schnell aufgeben! So ein Tiefpunkt gehört auch dazu, man muss ihn nur überwinden!
Tipp: wenn man ein Zimmer sucht: die Pension "La Alpar Gateria Casa Rural", sehr sauber, günstig, und Christina war auch sehr nett! Ansonsten: die Herberge San Anton Abad, mit Hotel, soll auch sehr gut sein, wurde mir berichtet, aber etwas teurer!




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