Tag 2


Datum:  Mittwoch, 22.April 2015
Strecke:  von Roncesvalles nach Larrasoana
Distanz: 28km
Gehzeit: 07:00 bis 14:30 Uhr   ca. 7,5 Std.
Wetter: Anfang schön, dann bewölkt, dann wieder schön
Allgemein: auch anstrengend


Um 6:00 Uhr ist wecken im Kloster angesagt. Ein holländischer Hospitalero läuft durch das Gebäude und mit freundlicher Stimme wird uns verkündet, dass es ein schöner Tag sei und die Sonne lacht. Ich stehe auf, öffne den Fensterladen und: alles dunkel! So ein Spaßvogel. Aber nun ist man schon auf und es herscht überall allgemeine Aufbruchstimmung. Manche liegen noch in ihren Kojen, aber um 6:15 Uhr erfolgt der zweite Stubendurchgang. Diesmal schon etwas barscher, denn die Herberge soll schnell leer sein, damit für die nächsten Pilger alles vorbereitet werden kann. Es herrscht ein reges Treiben, aber keine große Hektik. Sich kurz frisch gemacht, Rucksack gepackt und raus in die Dunkelheit. Ohne Frühstück geht es los. Es ist noch recht frisch.
In der Morgendämmerung verläßt man die Klosteranlage, vorbei am Straßenschild: Santiago 790km
Viele Pilger strömen den schmalen Weg an der Strasse entlang. Es geht durch ein Waldstück. So langsam entzerrt sich der Pilgerpulk, jeder geht seinen eigenen Schritt. Auch ein paar Gruppen sind unterwegs, aber ich will lieber etwas Ruhe haben und so laufe ich immer etwas auf Distanz zu den anderen. Nach ca. 3km kommt eine kleine Ortschaft, wo viele in einem Strassencafe sich ihr Frühstück gönnen. Ich entdecke aber niemand Bekanntes und will nicht zu jemand "fremden" hinsitzen(das ändert sich zum Glück recht bald). So kauf ich mir im nächsten Laden ein paar Croissants und frühstücke an einem kleinen Rastplatz. Na ja, so richtig toll ist das nicht, aber man hat ja Hunger.
Bald laufe ich weiter und kurz darauf holt mich Rudolf, den ich am ersten Abend in Saint Jean kennen gelernt habe, ein. Er hat einen flotten Schritt drauf.Mit ihm laufe ich ein gutes Stück und wir
unterhalten uns gut. An Steigungen hat er so seine Schwierigkeiten und er meint ich könne ruhig weiter gehen. Aber es macht Spaß mit ihm und so laufe ich halt etwas langsamer oder warte auf ihn. Man kommt auch mit anderen Pilgern ins Gespräch, so auch mit Romy und Frank, die ich später noch sehr gut kennen lernen sollte. Irgend wann kann Rudolf nicht mehr und braucht eine längere Pause und so trennen sich unsere Wege.
In der Zwischenzeit scheint die Sonne und es wird wärmer. Die Pilgerschar hat sich verlaufen und so gehe ich nun ein gutes Stück alleine.  Ich denke nach, was der Weg wohl so bringen wird und wie es weiter geht. Eine gewisse Unsicherheit ist schon da. In einem fremden Land, dessen Sprache man nicht spricht, aber es wird schon klappen.
Auf einer Bank esse ich die restlichen Croissants, die schon recht mit genommen aussehen. Der Himmel zieht sich wieder etwas zu, aber es regnet nicht. Immer wieder kommen Pilger vorbei und fast jeder grüßt mit " Buen Camino" , dem Gruß der Pilger. Der Gruß zeigt die Verbundenheit unter einander. Jeder hat das Gleiche vor, jeder pilgert nach Santiago, aber jeder geht seinen Weg! Und doch ist oder wird man zu einer großen Familie. Und das ist schön!
Nach einer kleinen Ortschaft geht es steil Berg auf. Dort sehe ich auch zum ersten Mal Jesse. Auch er wird immer wieder meinen Weg bis Santiago kreuzen.  Obwohl Jesse kein Wort deutsch oder englisch spricht, haben wir uns immer gut verstanden. Oben am Berg, an einer Kreuzung steht dann dieses Schild: 
                                Dont STOP walking!
Genau, es wird einfach weiter gegangen, nicht stehen geblieben,
immer weiter,  ULTREIA (vorwärts, immer weiter und aufwärts), der zweite Pilgergruß!
Kurz darauf entdecke ich das erste Pilgergrab! Kurz erschrecke ich. Ja, auch meine Reise kann plötzlich und unerwartet zu Ende gehen. Ich halte kurz inne, bete für das Gelingen meiner Pilgerfahrt und ziehe weiter, etwas nachdenklich, aber frohen Mutes.
Nach ca. 22 km komme ich nach Zubiri, meinem Tagesziel. Am Ortseingang, direkt auf der Brücke, treffe ich Sepp aus Augsburg, den ich ja von Bahnhof in Bayonne kenne. Er verläßt Zubiri schon wieder. Ich frage ihn, was er macht. Er meint, hier wäre nichts los, er wollte nach ein Stück weiter und ob ich nicht mitkommen würde. Eigentlich habe ich genug, aber ich denke,so zu zweit ist es doch einfacher eine Unterkunft zu finden. Man kann sich ja gegen seitig helfen, wenn man alleine nicht weiter kommt. Also schließe ich mich Sepp an und nach einer kurzen Vesperpause in Zubiri ziehen wir weiter. Auch mit Sepp kann ich mich gut unterhalten und so schaffen wir die restlichen 6 km auch noch und kommen gegen 14:30 Uhr in Larrasoana an. Sepp hatte unterwegs einen Flyer erhalten von einer neuen Unterkunft und nach kurzen Suche fanden wir die Herberge San Nicolas. In einem Zimmer mit 2 Stockbetten im DG konnten wir uns die Betten aussuchen und natürlich nahmen wir die unteren Betten. Dies versuchte ich auf dem ganzen Camino, was jedoch nicht immer möglich war. Aber unten hatte man es doch etwas bequemer als oben. Nach 25 - 30 Km ist man froh, wenn man nicht auch noch über so ne Hühnerleiter ins obere Bett kriechen muss. Auch mit dem Nachts aufstehen ist es natürlich im unteren Bett einfacher, als im Dunkeln vom oberen herunter zu kommen, ohne irgend wo hängen zu bleiben, irgend wo drauf zu treten oder irgend was um zu werfen.
Wir duschten uns (die sanitären Einrichtungen waren spitze), konnten unsere Klamotten in der Waschmaschine waschen und schrieben unser Tagebuch. Anschließend gingen wir zum gegenüber liegenden Supermarkt und gönnten uns ein Bierchen und unser erstes Bocadillo (belegtes Baquette)
Zwei Brasilianerinnen, die auch in unserer Herberge übernachteten, gesellten sich zu uns und es wurde geplaudert und getrunken. So läßt es sich aushalten!
Gegen 19:30 Uhr gab es in unserer Herberge Abendessen, das erste so genannte Pilgermenü.
Bestehend aus einer Gemüsesuppe, zwei panierten Schnitzelchen mit Pommes und zum Nachtisch eine Schocko Eistorte. Dazu wurde Wasser und Vino Tinto (Rotwein) gereicht. Und das alles für 10 €
An unserem Tisch saßen leider nicht die zwei netten Brasiliannerinnen, dafür zwei Franzosen, die nur französisch konnten (oder wollten) und Glenn aus Kentucky. Es wurde ein lustiger Abend, der jedoch nicht all zu sehr aus gedehnt wurde, weil alle doch recht müde waren. Ja, der Körper muss sich erst einmal an die tägliche Belastung gewöhnen. Die Füße waren bei mir in Ordnung, jedoch schmerzte bei mir der Schulterbereich, wohl durch die ungewohnte Last des Rucksacks. So zeichneten sich bei mir die Gurte des Rucksacks doch recht deutlich auf meiner Haut ab. Aber es ging.
In unserem Zimmer waren zwei weitere Pilger angekommen, die morgens gegen fünf schon los wollten. Wir gingen zu Bett und bald war ich im Land der Träume.

Fazit: Auch anstrengend, aber Abends entspannend
Tipp: Die Herberge San Nicolas ist der öffentlichen Herberge auf alle Fälle vor zu ziehen.
Neue, saubere Unterkunft, gutes Preis/Leistungsverhältnis




2 Kommentare:

  1. Hallo Wolfgang, da habe ich Deine Geschichte und das Foto von uns doch durch "Zufall" hier im Netz gefunden. Wir hatten uns ja in Burgos zuletzt gesehen. Kurz danach musste ich wegen meiner geschundenen Füße den Camino für 3 1/2 Wochen unterbrechen. Ich bin also zurück nach Dortmund, habe meine Füße geschont, bin anschließend wieder zurück. Dann hat es auch bis nach Santiago gereicht. Schön von Dir gelesen zu haben.

    Buen Camino
    Rudolf

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Hallo Rudolf,
      dass ist eine Freude von dir zu hören!!!!
      Schön, dass du den Camino später noch beenden konntest. Ich habe oft an dich gedacht und auch mit den anderen Pilgern von " Beilari" hab ich über dich gesprochen und jeder hat dein Aufgeben müssen, sehr bedauert.
      Hab mich jetzt auch auf Facebook angemeldet. Hab gesehen, du bist da auch. Melde mich die nächsten Tage mal dort bei dir. Kann dir ja noch das ein oder andere Bild zu kommen lassen, wenn du willst.
      Hoffe, es ist für dich in Ordnung , dass ich ein Bild von dir hier in meinem Blog, veröffentlich habe.
      Bis hoffentlich bald
      Wolfgang

      Löschen

Besucherzaehler